It MAST be love

Steve Breitzke und Matthias Pitra führen mit dem MAST Weinbistro einen Ort der Einkehr, der aus jedem gängigen Wein-Bar-Restaurant-Rahmen fällt. Ein Lokal-Augenschein.

Das MAST Weinbistro im Portrait

Steve Breitzke und Matthias Pitra führen mit dem MAST Weinbistro einen Ort der Einkehr, der aus jedem gängigen Wein-Bar-Restaurant-Rahmen fällt. Ein Lokal-Augenschein.

Wien ist in kulinarischer Hinsicht die Gebenedeite unter den europäischen Städten, denn es gibt wohl nirgends so viele Orte der Einkehr, an denen man sich bei einem Glas Wein und einem Happen von Zeit und Raum abkoppeln kann. Ein so ein Ort befindet sich auch in der Porzellangasse im 9. Wiener Gemeindebezirk. Nicht unbedingt eine Gegend touristischer Höchstkonzentration. Trotzdem gehen in dem Haus mit der Nummer 53 viele internationale Gäste ein und aus. Sehr viele sogar. Weil sich in der Welt herumgesprochen hat, dass an diesem speziellen Ort der Einkehr ausnehmend gut gekocht, vor allem aber so außergewöhnliche Weine ausgeschenkt werden, dass Luzifer wahrscheinlich seine brennende Lunte abgeben würde, um in ihren Genuss zu kommen.

Das kleine Wir-sind-Wir

Das MAST Weinbistro war einmal eine Kantine, bis Matthias Pitra und Steve Breitzke, einst Sommelier-Kollegen im Wiener Le Loft, 2017 beschlossen, ebenda gemeinsame Sache zu machen. Ein Entschluss, der zwar in einer Champagnerlaune gefällt wurde. Die Vorstellung davon, wie Weinkultur im MAST gelebt werden soll, war aber völlig ungetrübt. „Für uns war immer klar, dass wir nur Bio-Winzer oder solche, die nach biodynamischen Richtlinien arbeiten, im Repertoire haben wollen“, sagt Matthias. Klar wollten sie damit erfolgreich eine Nische besetzen in dieser Stadt. „Aber wir haben den Fokus deshalb auf Bio- und Naturweine gelegt, weil das die Art von Wein ist, hinter der wir beide als Sommeliers und Weintrinker auch wirklich stehen können. Wir glauben halt daran, dass der konventionelle Weinbau keine Zukunft hat. Und wir finden es einfach spannender, den Leuten einen Gemischten Satz von einem portugiesischen Bio-Weingut einzuschenken als einen bekannten Riesling, den sie woanders auch bekommen.“

Lachsforelle | Chioggia | Physalis | Chilimayo

Das kulinarische Angebot im MAST ist so konzipiert, dass Menschen, die einfach nur eine gute Flasche Wein trinken und dazu ein bisschen Speck, Bergkäse oder Öfferl-Brot mit Rohmilchbutter snacken wollen, genauso glücklich werden wie die, die in sechs Akten, zwölf Gerichten und zwölf Weinen durchs MASTUniversum reisen möchten.

Dass die beiden mit dieser klaren konzeptionellen Kante so erfolgreich sein würden, dass man über sie in brasilianischen oder israelischen Food-Magazinen berichtet und Wien-Besucher, die zuvor bei Sterneköchen wie Juan Amador und Heinz Reitbauer speisten, als letzten Stopp auf ihrer Foodie-Tour im MAST einen Tisch reservieren, hätten sie sich vor fünf Jahren nicht ausdenken können. Hinter dem Duo liegt einer der erfolgreichsten Sommer, an die es sich erinnern kann. 1200 Gäste essen und trinken im Schnitt monatlich im MAST, der Pro-Kopf-Umsatz liegt abends bei 80 Euro. „Als wir aufgesperrt haben, haben wir mittags noch mit 14 Euro pro Gast, abends mit 36 gerechnet!“, lacht Steve. „Und jetzt passiert es schon mal, dass an einem Abend unter der Woche Flaschen um 300 oder 400 Euro rausgehen.“

Wer die Wahl hat ...

Was vor ein paar Jahren auch noch anders war als heute: Früher reisten die beiden ausgedehnt durch Europa, um überhaupt erst an die kleinen, spannenden Weingüter ranzukommen, jetzt reisen vermehrt Winzer zu ihnen, um ihre Weine auf der MAST-Karte zu platzieren. „Es gibt schon viele Leute, die uns ihre Weine zum Verkosten schicken … Wobei, die meisten kennen wir eh“, lacht Steve. „Steve und ich suchen uns schon gezielt Winzer aus, mit denen wir uns vorstellen können, zu arbeiten“, ergänzt Matthias. „Wir lassen uns nicht so gern Dinge aufdrängen, sondern recherchieren viel, und wenn wir einen Produzenten spannend finden, dann kontaktieren wir ihn und besorgen uns seine Weine.“

„Steve und ich suchen uns ganz gezielt die Winzer aus, mit denen wir arbeiten. Wir recherchieren extrem viel, und wenn wir auf einen Winzer stoßen, den wir spannend finden, besorgen wir uns seinen Wein.“

Matthias Pitra über den Weg zur Listung im MAST

Und sie besorgen sich viel und dauernd, denn die 1200 Positionen umfassende Weinkarte, auf der sich die gesamteuropäische Naturwein-Elite tummelt – von maischevergorenen Georgiern über Furmint und PetNat aus Ungarn bis zu Chenin blanc von der Loire oder Südtiroler Vernatsch –, wird zwei Mal wöchentlich neu gedruckt, von den meisten Weinen lagern drei bis sechs Flaschen im Keller. Kellerleichen? Gibt’s hier nicht.

Speis, so schnörkellos wie Trank

Nach dem zweiten Espresso und der ersten Fotoshooting- Runde gibt’s dafür erst mal Essen. Lukas Lacina, der seit zwei Jahren die MAST-Küche gemeinsam mit einem dreiköpfigen Team schupft, biegt freundlich lächelnd mit roh gebeizter Lachsforelle, Chioggia-Rübe, Physalis und Chilimayo und kaltem Schweinebraten mit Gurke, Sesam und Szechuan-Pfeffer um die Ecke. Was Steve und Matthias beim Wein wichtig ist, gilt auch fürs feststoffliche Programm. Lukas arbeitet klar produktbezogen, nichts soll unnötig geschmacklich verfälscht werden, die Rohprodukte stammen überwiegend von kleinen Bio-Produzenten – die, ganz im Sinne der Nachhaltigkeit, vorwiegend aus der näheren Umgebung kommen. Bei der Komposition seiner Gerichte orientiert er sich nicht wirklich am Weinangebot, er achtet lediglich auf feine Säurekomponenten und darauf, das Menü möglichst leicht zu halten. „Die Jungs finden da schon den passenden Wein dazu“, grinst er.

Lukas Lacina zählt seit Tag 1 zur MAST-Stammbesetzung. Er war erst Gardemanger, dann Patissier, seit zwei Jahren ist er Küchenchef und wuppt mit seinem dreiköpfigen Team abends für bis zu 50 Gäste unaufgeregt-präzise und klar produktzentrierte BistroKüche über den Pass.

Geteilter Spaß

Tatsächlich finden die Jungs für jene Gäste, die sich für das 6-Gänge-Menü mit Weinbegleitung entscheiden, zwölf verschiedene Weine zu zwölf Gerichten. Denn hier wird nach dem Prinzip „Sharing is caring“ aufgetischt, pro Gang werden immer zwei Gerichte von der Karte eingestellt und zwei verschiedene Weine dazu serviert. Sie hätten natürlich schon vorab immer ein passendes Pairing im Kopf, sagen Steve und Matthias. Aber eine starre Weinbegleitung zu fahren würde für sie an der Idee eines gelungenen Abends vorbeigehen. „Wir haben ja immer so viele Weine offen, dass wir auf die Leute auch eingehen können“, sagt Steve. „Wenn einer zum Aperitif schon keinen PetNat mag, dann weiß ich ja schon ungefähr, wo die Reise hingeht. Den mache ich in der Folge mit besonders ausgefallenen Weinen wahrscheinlich nicht glücklich. Und weder ich noch er haben etwas davon, wenn ihm der Wein nicht schmeckt. Der Gast soll ein gutes Erlebnis hier haben.“

Kalter Schweinebraten | Gurke | Sesam | Szechuan-Pfeffer

Zu diesem guten Erlebnis, betont Matthias, gehöre es übrigens auch, vorab das zur Verfügung stehende Weinbudget der Gäste zu erfragen. Man dürfe seiner Meinung nach als Sommelier nämlich keine Empfehlung für einen Wein aussprechen, der über dem Budget des Gastes liege. „Das wäre Abzocke, und ich will niemanden hier abzocken. Wir haben Flaschenweine, die 29 Euro kosten, und Weine, die 400 Euro pro Flasche kosten. Beide sind fair kalkuliert, aber den Gast nicht wissen zu lassen, worauf er sich finanziell einstellen muss, fände ich extrem unfair.“ Wer im MAST einkehrt, ist für Überraschungen offen, weiß aber trotzdem immer, was er kriegt.

Die gute Ordnung

Dass weit weniger genau definiert ist, was der Begriff „Naturwein“ eigentlich meint, sehen die beiden übrigens durchaus kritisch. Denn, so Matthias, auch ein konventionell arbeitender Winzer könne aufgrund der fehlenden Regulatorien Orange oder Naturwein produzieren. „Bei Bio und Biodynamie gibt es diese Regulatorien sehr wohl, und wir sind halt davon überzeugt, dass ein Winzer mindestens bio arbeiten muss, damit er ein wirklich gutes Produkt erzeugen kann. Das ist auch die Mindestanforderung, die unsere Winzer erfüllen müssen.“ Steve findet, man sollte den Begriff Naturwein als solches am besten gar nicht mehr verwenden und lieber von „Low Intervention Wines“ sprechen, denn der bilde weit besser ab, worum es eigentlich gehe – möglichst wenig Intervention im Weinberg und im Keller nämlich. „Wäre Wein im eigentlichen Sinne Naturwein, würde es ihn gar nicht geben, weil dann würden die Trauben natürlich verrotten oder von den Staren aufgefressen werden.“ Punkt: Breitzke.

Man könnte jetzt gefühlt noch ewig weiterplaudern mit den beiden, weil sie leidenschaftliche und humorvolle Erzähler sind, und weil sie eine so präzise Vorstellung von dem haben, was sie tun und worauf sie lieber verzichten. Aber in einer Stunde werden die ersten Abendgäste eintrudeln und das Küchen- und Serviceteam wird sich gleich noch zum gemeinsamen Essen hinsetzen. „Aber keine Eile!“, sagt Matthias, und schiebt das angetrunkene Glas 2020er Chenin blanc Effusion Anjou von Patrick Baudouin über den Tisch. Undschon ist man wieder MAST-mäßig abgekoppelt von Zeit und Raum.

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